Schwierige Verehelichungen
Zur Eheschließung war die Einwilligung der Grundherrschaft
erforderlich, die man üblicherweise - natürlich gegen
Gebühr - einfach erhalten hat. Häufig schlossen die
Brautleute dann noch einen Ehevertrag zur Absicherung. Macnhmal war
allerdings noch mehr nötig, insbesonders wenn die Braut und der
Bräutigam aus verschiedenen Grundherrschaften kamen. Einige solche
Fälle werden unten gezeigt.
Weitere Heiratsverträge sind in unter Heiratsverträge
(einfachere) und Haus-/Hofübergabe
(Eltern übergeben anlässlich der Heirat den Hof an den
Sohn/die Tochter) zu finden.
Der Bräutigam wechselt den Herrschaftsbereich
Fugger Kirchberg-Weissenhorn, 1779. Mein 4xUrgroßvater Franz
Lehninger (Leininger) von
Christertshofen (Herrschaft Reichs-Stift Roggenburg) verheiratet sich
mit der von ihm (meinem 4xUrgroßvater) schwangeren Agatha
Jehle von Buch (Herrschaft
Fugger Kirchberg-Weissenhorn), die bereits
ein uneheliches Kind von 6 Jahren hat. Er bekommt die Erlaubnis zur
Ansiedelung in Buch und schließt den nachstehenden Ehevertrag.
Die Trauung findet am 21. Jänner 1779 in Buch statt.
Anmerkung:
In diesem Vertrag sind einige Fehler. Der Bräutigam wird Lehner
statt richtigerweise Lehninger
genannt. Einmal hat der
den Vornamen Valentin. Das
ist sicher eine Verwechslung: es gibt zu dieser Zeit in Buch einen Valentin Salzgeber, der
vermutlich
ein Bruder des in diesem Dokument erwähnten Anton
Salzgeber ist.
Das Buch ist leider auch recht dick, sodass einige Worte im Falz
verschwinden und nicht lesbar sind.
Actum Weissenhorn den 5ten Jenner 1779 Wie die beede Verhörs Protocolle vom 20, et 27ten 9berNovember anni [ ] mit mehreren an Hand ergeben, so sind Franz Lehner v. Christertshofen, und Agatha Jehlin von Buch, beede ledigen standes pcto fornicationisUnzucht theils in [æra], theils in [ ] behörig abgewandlet worden. Nachdem nun die Agatha Jehlin, welche allschon [ ] dem Thaddæ Maß, so [ ] vor 6 Jahren imprægnirtgeschwängert, [ ] Kind hat, dem Hochgräfl. pflegamt wehemütig zu vernemmen gabe, mit [ ] sich unmöglich mehr ernähren könne, und daher unterthänig gebetten, [ ] ihr mit dem Franz Lehner sich zu verheÿrathen [gestattet] werden möchte, als wie derselben, in Rücksicht des bereits gebohrenen, dann des annoch unter dem Herzen tragenden Kindes, haubtsächlich aber das die gemeinde Buch mit [inngeh..sterten] nicht übersetzet, und der Antoni Salzgeber die Jehlin zu sich in sein Haus aufnehmen will, gestattet, daß sie sich mit dem Franz Lehner verehelichen, und gegen præstirungLeistung der gewohnl: præstand[orum] in Buch als Beÿsitze häuslich niederlassen dörffe, und da der Valentin Lehner seiner Hochzeiterin nach abzug der Herrschaftl: Nachsteuer annoch 90 fl in [Cotem] zu bringet, so wurde pactirt, daß wann der Hochzeiter ohne nach sich lassend lebendigen ehelichen leibs Erben zuerst ersterbete, die überlebende Hochzeiterin als dann schuldig, und gehalten seÿn solle, ihres abgeleibten Ehemanns nächsten anverwandten den 3ten Theil von dem [erwe...]lich eingelegten Heÿrat [Gutes] zum ohnwiderruflichen Rückfall, ansonsten aber [weiters] nichts hinaus zu bezahlen in welcher Rücksicht, und [w...] auf seiten des Hochzeiters das beste Hals Kleid [nicht] hinaus gemachet worden, [der] selbe, wann auf seiten der Hochzeiterin ein Rückfall [sich] ergebete, die ausser ihren leibs Kleidern [sonsten] [an] Vermögen nichts hat, an [ ] nächste Anverwandte [hin...] ebenfalls nichts zu [rück] [ge...] darf. actum in Præsentia beeder Hochzeit: Personen selbsten
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Reichsstift Roggenburg, 1779. Einfach aus der Herrschaft wegziehen
geht nicht, da man ja Leibeigener ist. Und wenn man wegzieht, entgehen
der Herrschaft ja auch Steuern. Daher wird die sogenannte Abzugsteuer
fällig,
üblicherweise 10 Prozent des Vermögens.
Actum den 5ten Feb: 1779 Franz Lehninger
ledigen Standes von Kristerzhofen hat sich als Beÿsitzer
nacher
Buech verheürathet. Dar nun dessen unter Hiesiger Waÿsen
pfleeg stehendes Vermögen bestehet in = 110 fl.
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Actum den 27ten April 1779 Franz Lehninger
ledigen Stands von Kristerzhofen hat sich nacher Buech als
Beÿsitzer verheürathet und sub hodierno aus Hiesiger
Waÿsen Pfleeg seinen Vermögens Betreff pr. 69 fl Vollends
erhalten, hievon aber zurückgelassen |
Der mittellose Bräutigam und die Braut aus der anderen
Herrschaft
Fugger Kirchberg-Weissenhorn, 1802. Mein 3xUrgroßvater, der mittellose Franz Leininger (Lehninger) von Buch, Sohn des obigen Ehepaares Franz Lehninger und Agatha Jehle, gedenkt sich mit der Walburga Elser aus Boos (Herrschaft Babenhausen) zu verehelichen. Die nachstehenden Dokumente zeigen, dass das gar nicht so einfach ist.
Zuerst braucht die Braut einmal ein Vermögensattest von ihrer
Herrschaft:
Vermögens
Attestat
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Dann noch die Entlassung aus der Leibeigenschaftfür Bild
Link anklicken:
Manumissio
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Und schließlich die Heiratserlaubnis:
Heiraths Consens
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Jetzt kann endlich der Heiatsvertrag abgeschlossen werden..
Actum
Weissenhorn
den 10t Junÿ 1802 Dem Franz Leininger ledigen Standes von Buch wird hiemit der Hochherrschaftl: gnädige Konsens ertheilt /: non obstante impedimento canonicokein kirchliches Hindernis steht im Weg :/ sich an Walburga Elserin eben falls ledigen Standes von Boos Reichs Hochgräfl: Fugger Babenhäusische Herrschaft, welcher nach der anlage ihrer Leibeigenschaft bereits entlaßen nach gedachten Buch in das dortig gräfl: von Styrumische Haus verheÿrathen, und daselbst Niederlaßen zu dürfen, welche nachstehende Heÿraths Pacta zum Protocoll gegeben und zwar.
Vorstehender Heÿrathscontract ist zum Protocoll genommen
worden in Gegenwart beeder Hochzeit: personen selbsten, unter
Beÿstand ab seiten des Hochzeiters seines Vaters Franz
Leininger auch Anton
Salzgeber von Buch, dann des Joh:
Georg Buchmiller
Bürgermeisters, und der Reichsgräfl: Stÿrum: Hof gut
beständers Benedikt
Prechteln,
von Seiten der Hochzeiterin eben falls ihres Vaters Andreas
Elser von Boos
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Es folgen zwei Aufgebote in der Pfarre Boos, dann erhebt die
Gemeinde Buch Einspruch gegen die beabsichtigte Heirat:
Actum
Weissenhorn den 25t Junÿ 1802 Johann Georg Buchmiller Baur, und Franz Schmelzle Söldner zu Buch disseitiger Grafschaft Marstetten dermalige Bürgermeisterr als gemeinds Depputierte sehen sich hiemit veranlaßet, Nahmens ihrer Gemeinde, gegen die Heÿrath dess ledi und ansessigmachung des ledigen Franz Leininger von der mit Walburga Elserin eben falls ledigen Standes von Boos Förmlich, und zwar aus nachstehenden beweggründen zu Protestieren
Beÿ welcher bewandtnis seien Sie Depputierte Nomine
comunitisim Namen der Gemeinde zu
einer Hoch Erlauchten Regierenden Administrations Herrschaft
ihre
Ehrfurcht volle zu flucht hiemit nehmen, unterthänig bittend:
daß obgleich Franz
Leininger
schon zum 2ten malen öffentlich
verkündet worden
seÿe, dem selben recht und billichkeit gemäß seine
vorhaben[de] Heÿrath ohne weiteres gnädigst Niederlegen zu
laßen.
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Ob diesem Einspruch stattgegeben wurde, weiss ich nicht. Es geht
nämlich verwirrend weiter.
Im Trauungsregister der Pfarre Buch ist verzeichnet, dass Franz
Lehninger und Walburga
Elser
am 30. Juni 1802 in der Pfarrkirche von Boos getraut wurden. In den
Büchern der Pfarre Boos ist die Trauung nicht zu finden.
Anscheinend haben die beiden auch keine gemeinsamen Kinder.
Um 1817 ist Franz Lehninger
Schäfer in Jedesheim und wohnt im Haus der ledigen Afra Schmid. Diese
hat bereits ein uneheliches Kind namens Heinrich
Baier (genaueres muss ich noch erforschen). Am 1. Mai 1817
wird mein Ururgroßvater Franz Josef
Lehninger als unehelicher Sohn des Franz
Lehninger und der Afra
Schmid (im Trauungsbuch sind beide
als "ledig" angegeben) geboren. Afra
Schmid muss allerdings etwas Geld besessen haben, da sie
jedem ihrer beiden (unehelichen) Söhne Heinrich Baier (1838) und Franz
Josef Lehninger
(1847) bei deren Verehlichung ein Haus mit Grund übergibt. Sie
stirbt am 9. Juni 1857 in Jedesheim "als ledig" an Nervenlähmung.
Maria Walburga Elser geehlichte
Lehninger, verheiratet,
stirbt am 11. Febr. 1838 in Boos an der Abzehrung.
Franz Leininger, Bote, Wittwer,
stirbt am 9. Juni 1854 in Boos an Gehirnauflösung.